Der uralte Dr. Usher versorgt seine seit langer Zeit im Koma liegende Tochter Melissa mit dem Blut, getöteter Huren, die ihm sein mißgestalteter Diener Morpho bringt. So bleibt sie am Leben und äußerlich auch jung und schön. Mit Hilfe seines Kollegen Alan Harker sucht er einen Weg, die Tochter aus dem Koma zu holen, doch Usher verfällt immer mehr. Auch Dr. Seward kann ihm nicht helfen...
Klingt nach einer nachvollziehbaren Story? Da sollte man jedoch nicht allzu viel erwarten, das ist nur das Bisschen, was man aus diesem absolut wirren Machwerk von Jess Franco erklären kann. Als Film im eigentlichen Sinne, kann man dieses Stückwerk nicht bezeichnen, vielmehr als Collage aus (vermutlich) Schnittabfällen von mindestens drei Filmen, um das Ganze überhaupt auf Filmlänge zu bringen. Der Titel scheint anzudeuten, dass Franco sich hier auf die Novelle von Edgar Allan Poe bezogen hat, aber das stimmt nur in kleinen Details. Die Namen einiger Figuren sind an „Dracula“ angelehnt und es kommen sogar Vampire vor. Nur einen Sinn ergibt das Alles nicht.
Der Film ist in seinen Grundlagen wohl schon Anfang/Mitte der 80er Jahre entstanden, wurde dann mehrfach umgeschnitten und mit alten Filmausschnitten ergänzt, so dass wohl mindestens drei verschiedene Fassungen existieren. Die Ausstattung lässt nicht immer klar erkennen, ob der Film in der Vergangenheit (Kleidung, Fortbewegung auf Pferden) oder (damaligen) Gegenwart (elektrisches Licht, Kleidung) spielt, aber das war Franco vermutlich auch völlig egal. Die Verschiedenen Filmteile wechseln fröhlich das Bildformat und kommen mal farbig, mal in Schwarz-Weiß daher, die Maske des Dieners Morpho hat Kindergarten-Bastelstunde-Niveau und dauernd tauchen Leute auf, die genauso plötzlich wieder aus der Handlung verschwinden, zum Ende hin sogar Lina Romay, was aber nichts zum Film beiträgt.
Das ganze ist furchtbar langweilig und geschwätzig umgesetzt, entfaltet aber zu keinem Zeitpunkt die gewünschte Gothic-Horror-Atmosphäre. Typische Jess Franco-Elemente wie Blut und Titten (man verzeihe mir die plumpe Formulierung) gibt es überhaupt nicht zu sehen, dafür übermäßig theatralisches Schauspiel von überraschenderweise so bekannten Leuten wie Antonio Mayans und Howard Vernon. Eigentlicher Star des Films ist aber die schöne Burg, in der zum großen Teil gedreht wurde
Und dann, ohne Vorwarnung, zeigt Franco in der letzten Viertelstunde doch noch, dass er eigentlich ein bisschen was kann. Im Finale gelingen ihm ein paar gute Bilder und so etwas wie Spannung (was die Handlung aber nicht nachvollziehbarer macht), aber da ist alles schon zu spät, denn abgesehen von einigen Jess Franco-Allesguckern haben die meisten Zuschauer wohl längst abgeschaltet oder sind selig eingeschlafen. Wer also so lange durchgehalten hat, wird wenigstens ganz am Ende ein wenig dafür entschädigt.
Es ist schwer nachvollziehbar, dass sich ein Label gefunden hat, das „Nevrose“, so der Originaltitel, kommerziell auswertet. X-Rated von Franco-Fan und -Freund in dessen letzten Lebensjahren, hat sich erbarmt, selbst aber wohl auch nicht viel Vertrauen in das Material gehabt. Ohne viel Aufwand wurde der Film mehrfach ausgewertet und schlussendlich noch einmal als Bonus-DVD in das Mediabook von „Sumpf Der Lebenden Toten“ gepackt, vermutlich, weil ein paar gepresste DVDs ohne eigene Cover übrig waren.
Die deutsche Synchronisation ist wechselhaft, manchmal passt sie verhältnismäßig gut, oft ist sie alles andere als lippensynchron. Das Bildqualität wechselt fröhlich hin und her, je nachdem, aus welchem alten Film gerade Material reingeschnitten wurde, ist aber eigentlich ganz in Ordnung. Als Ton gibt es nur Deutsch und keinerlei Untertitel. Das Bonusmaterial bietet einen Trailer, der den Film als Horror-Knaller erscheinen lässt, und knapp 20 Minuten alternatives und zusätzliches Filmmaterial, das vermutlich von einer abgenudelten VHS-Kassette gezogen wurde. Da gibt es dann auch eine längere Szene, die die im Film vermissten nackten Tatsachen hat und sogar ein bisschen Blut. Eine wunderbar sleazige Szene. Außerdem eine abstoßende Szene, die Pädophilie andeutet, aber zum Glück nicht zeigt. Dazu den dritten Teil eines längeren Jess Franco-Interviews, dessen andere Teile auf irgendwelchen anderen Veröffentlichungen zu finden sind. Selbst für Franco-Komplettisten ist dieser Film eine echte Herausforderung. Als Bonus-DVD gerade noch so hinnehmbar, im Grunde aber echte Rohstoffverschwendung. lediglich, dass Franco und X-Rated sich getraut haben, mit diesem Quatsch an die Öffentlichkeit zu gehen, verdient einen gewissen Respekt für den Mut. (A.P.)
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