(Eichborn Verlag)
In "DIE HUNGRIGEN UND DIE SATTEN" gelingt es Timur Vermes, eine bitterböse Satire über die europäische Flüchtlingskrise zu schreiben, die gesellschaftliche Abgründe offenlegt. Der Roman erzählt die Reise von 150.000 afrikanischen Flüchtlingen, die aus einem überfüllten Lager in der Sahara aufbrechen, um Europa zu Fuß zu erreichen. Dabei wird Europa als abgeschottet und gleichgültig gegenüber dem Schicksal der Flüchtlinge dargestellt, während sich die Situation zu einem medialen Spektakel entwickelt. Die deutsche Moderatorin Nadeche Hackenbusch begleitet den Marsch, und ihr Sender „my.tv“ verwandelt die Krise in eine Reality-Show, die Einschaltquoten in die Höhe treibt.
Wirklich gut gelungen ist die Art und Weise, wie Vermes den Zynismus der Medien und die Hilflosigkeit der Politik entlarvt. Die Flüchtlingskrise wird zur Unterhaltung, während Politiker wie der CSU-Innenminister Joseph Leubl zunächst versuchen, das Problem wegzudiskutieren.
Das ist natürlich bitterböse Komik, die auf den ersten Blick oft überzeichnet wirkt, letztendlich aber nicht nur im Kern wahr sein könnte. Die Figuren sind allerdings meist recht oberflächlich gehalten, besonders die Moderatorin Nadeche Hackenbusch ist wirklich einen Ticken zu naiv und blöd, ein wandelndes Blondchenklischee. Gut gelungen ist aber die direkte Verbindung zwischen dem Rechtsruck in Europa und dem Umgang mit Flüchtlingen. Politik und Gesellschaft radikalisieren sich und verschließen die Augen von der humanitären Katastrophe. Der Roman ist von 2018, das Rechtsproblem hat sich mittlerweile ja sogar deutlich verschärft, Faschismus und der Wunsch nach Diktatoren, die einem das Denken und Handeln abnehmen, ist seither noch schlimmer geworden. Auch von daher ein gelungener Roman, der allem den Spiegeln vorhält, egal auf welcher politischen Seite man steht. (Haiko Herden)
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