England, Ende der 60er Jahre. Der alt gewordene Schauspieler Morris McAlpin lebt verbittert in einem Altenheim. Als ein junger Zeitungsreporter ihn aufsucht, berichtet er über sein Leben.
Vor Jahrzehnten nahm McAlpin an einer Seance teil, in deren Verlauf und danach schreckliche, unaussprechliche Dinge geschahen…
Die Inhaltsangabe ist kurz geworden, aber sie reicht aus, um die Ausgangslage der Geschichte zu erzählen. Mehr würde einiges an Spannung nehmen. Eine gute, spannende Geschichte muss nicht immer voller Wendungen und Überraschungen stecken, sondern sie muss Atmosphäre haben und darauf ausgelegt ist die Produktion dieses Hörspiels in erster Linie. Wer mit den Geschichten von Lovecraft oder Poe vertraut ist und diese mag, wird auch hier auf seine Kosten kommen. Geister, Totenbeschwörungen, Satanismus und Gothic-Horror bekommt man geboten und kann damit, sofern man das Genre mag, absolut zufrieden sein.
Die von Maureen Butcher (ein Pseudonym des Autorenteams) geschriebene Story ist also kaum weltbewegend innovativ, aber solide und bis zum Schluss spannend. Was „Beyond The Veil – Seance“ aber dann doch ein bisschen über den Durchschnitt hebt, ist die Produktion an sich. Gute Musik- und vor allem Geräuschuntermalung und wirklich eine namhafte Sprecherschar machen das Anhören zu einem Genuss. Lutz Riedel, Andreas Fröhlich, Udo Schenk und Jürgen Kluckert sind nur die bekanntesten Namen, aber auch alle anderen Beteiligten sind mit Elan bei der Sache gewesen. Das alles schielt recht deutlich nach dem Erfolg der Serie „Grusel-Kabinett“ aus dem Hause Titania Medien, reicht aber nicht ganz daran heran.
Ob Maritim hier eine neue Serie etablieren will, einen Mehrteiler oder doch nur ein Einzelhörspiel, wird nicht ganz klar. Alles wäre möglich und so nehme ich an, das Label hat dies mal als eine Art Versuchsballon gestartet um zu sehen, was man letztendlich daraus machen kann. Nicht ungeschickt, ähnliches hatte man mit „Requiem“ probiert, was letztlich zu einem Zweiteiler geworden ist. Die Ausgangslage, dass ein alter Schauspieler einem Reporter aus seinem Leben erzählt, lässt natürlich alle Möglichkeiten für vielfältige und abwechslungsreiche Geschichten. Das Konzept erinnert ein wenig an „Interview mit einem Vampir“ von Anne Rice.
Was ich nicht verstehe ist, dass zwar Jürgen Kluckert als alter Mann die Geschichte einem Reporter erzählt, in der Handlung selbst der Erzählpart dann aber von Lutz Riedel übernommen wird. Das tut der Kontinuität nicht gut und man hätte überlegen sollen, ob man nicht gleich Lutz Riedel als den alten Morris McAlpin hätte besetzen sollen.
Etwas kritisch sehe ich die Laufzeit von gut 90 Minuten, verteilt auf zwei CDs. Natürlich lässt sich eine Doppel-CD teurer verkaufen, als eine Einzelne (ohne deutlich teurer in der Herstellung zu sein), aber man hätte die Story problemlos und sogar sinnvollerweise so kürzen können, dass sie auf eine CD gepasst hätte, die ja auch bis zu 80 Minuten Spielzeit bietet.
Ganz gelungen ist das Cover-Motiv, das sich vom sonstigen Hörspiel-Einerlei positiv abhebt. Der Rest des Artworks ist dann aber wieder im Maritim-typischen Design gehalten, da hätte man sicher etwas mehr herausholen können.
Das Hörspiel ist in Zusammenarbeit mit dem Musik-Label Nuclear Blast entstanden, deren Band Indica den Titelsong beisteuert. Neo-Klassik-Gothic-Metal von einer Fünf-Frauen-Band, sicherlich gut für Leute, die auf so etwas stehen, aber nicht unbedingt zum Hörspiel passend. Cross-Marketing muss nicht immer sinnvoll sein, aber offenbar verspricht sich Maritim davon, die Gothic-Szene für den Hörspiel-Markt zu interessieren. Das haben andere auch schon mehr oder weniger erfolgreich versucht („Schattenreich“, „Offenbarung 23“, „Edgar Allan Poe“). Warum hier aber eine selbst vergebene Empfehlung „Ab 16 Jahren“ aufs Cover gedruckt wurde, weiß wohl niemand, denn das ist vollkommen übertrieben. So düster oder gar hart, wie man erwarten könnte, wird es nämlich niemals.
Trotzdem bleib „Beyond The Veil – Seance“ ein hörenswertes Hörspiel und ein lobenswerter Versuch von Maritim, etwas (für das Label) Neues zu probieren. Mit einer Fortsetzung rechne ich allerdings trotzdem nicht unbedingt. (A.P.)
Buch: Maureen Butcher
|