Nach dem letzten regulären Album „The Rapture“ und der dazugehörigen Tour im Jahr 1995 trennte sich die Band SIOUXSIE AND THE BANSHEES. Das Kern-Trio Siouxsie Sioux, Steve Severin und Budgie hatte sich nichts mehr zu sagen, aber man war sich zumindest einig, dass die Band nichts mehr zu sagen hatte und so gingen Sioux und Budgie als The Creatures ihren eigenen Weg, während Steve Severin sich musikalisch ganz anderen Welten zuwandte und unter anderem Soundtrack-Musik schrieb und aufnahm.
Sieben Jahre später, im Jahr 2002 kam das Angebot, ein paar Reunion-Auftritte in Amerika zu spielen und es ist nicht ganz klar, ob es das verlockende Geld war oder ein Nostalgie-Gefühl, jedenfalls rauften die drei sich zusammen und vertrugen sich so gut, dass gleich eine ganze Tour daraus wurde. Voraussetzung war, hier nicht einfach ein „Greatest Hits“-Programm runterzuspielen, sondern das auf die Bühne zu bringen, was SIOUXSIE AND THE BANSHEES ausmachte, nämlich intensive, eigenwillige und kraftvolle Musik aus 20 Jahren Bandgeschichte. Zusammen mit dem ehemaligen Psychedelic Furs-Gitarristen Knox Chandler stand die Band ohne große Show (außer einer witzigen Einlage bei „Peek-A-Boo“) und Schnick Schnack (keine Keyboards, Streicher, Akkordeons oder sonst was) als Quartett auf der Bühne, nur begleitet von einer passenden Lightshow. Keine Frage, dass das Ereignis festgehalten werden musste und so wurde das Konzert vom 10. Juli 2002 in London als CD und DVD aufgenommen. Und der Zauber der Band lebte! Siouxsie Sioux bringt immer noch die unnahbare Ausstrahlung einer großen Diva genial auf die Bühne, Schlagzeuger Budgie hatte sichtbar Spaß, Steve Severin ist tief versunken in sein prägnantes Bass-Spiel (taut bei „Peek-A-Boo“ aber dann doch auf) und Knox Chandler ist vielleicht der beste Gitarrist in der Gruppe seit John McGeoch Mitte der 80er Jahre die Band verlassen hat.
Die Songauswahl spinnt den Bogen von Frühwerken wie „Pure“ und „Jigsaw Feeling“ über die legendärste Phase der Band mit Alben wie „Kaleidoscope“, „Juju“ und „Tinderbox“ bis hin zum innovativen „Peek-A-Boo“, was ausgesprochen unterhaltsam dargeboten wird. Die beiden Alben der 90er Jahre werden komplett außen vor gelassen (bis auf die 1992er B-Seite „I Could Be Again“), was nicht verwundert, entstanden sie doch nur noch unter schwierigen und verkrampften Umständen und spiegeln kaum das wieder, was SIOUXSIE AND THE BANSHEES tatsächlich darstellten. Natürlich fehlen jede Menge Klassiker, aber das ist bei einer so langen Bandgeschichte in einem 90 Minuten-Konzert ganz klar.
Verblüffend ist, dass die Band hier mehr nach Gothic klingt, als jemals zuvor, wo sie doch dieses Image immer rundherum abgelehnt hatte, aber „Jigsaw Feeling“, eigentlich ein Song aus der frühen Punk-Phase, klingt hier fast wie ein Vorzeigewerk für diesen Stil, „Icon“ war sowieso immer eine Gothic-Hymne und „Spellbound“ ist jenseits von Gut und Böse einzuordnen. Bandklassiker und Fan-Favoriten wie „Metal Postcard“, „Red Light“, „Happy House“, „Christine“, „Night Shift“ und „Monitor“ reihen sich hintereinander, ergänzt durch „Lullaby“, „Land´s End“, den Chart-Hit „Cities In Dust“, „Voodoo Dolly“ und das offenbar neue „Blue Jay Way“ (ein Beatles-Cover? Ich kenne mich da nicht so aus). Ganz offenbar hat die Band Frieden untereinander und mit der eigenen Bandgeschichte geschlossen und kommt deswegen locker und völlig überzeugend rüber. Der Verlockung, einfach ein Programm nach kommerziellen Aspekten zusammenzustellen hat man widerstanden und stattdessen ziemlich gut herausgestellt, was SIOUXSIE AND THE BANSHEES ausgemacht hat. Ganz sicher hat man damit viele Fans, die man nach „Peepshow“ verloren hatte, wieder versöhnt und beendet die Bandgeschichte noch einmal mit einem absoluten Höhepunkt, so dass man mit erhobenem Haupt abtreten konnte.
Die DVD liefert das, nach „Nocturne“ von 1983, zweite veröffentlichte Livekonzert in sehr guter Bild- und Tonqualität ab und dürfte keine oder nur wenige Overdubs enthalten. Die Atmosphäre auf der (zum Glück) nicht überdimensionierten Bühne des Shepherds Bush Theaters in London wurde mit mehreren Kameras gut eingefangen und beim Schnitt hat man zum Glück nicht den Fehler gemacht, es modern-stakkatohaft zu schneiden, so dass man dem Auftritt problemlos folgen kann und die Bandmitglieder nicht nur sekundenweise zu sehen bekommt. Die Bandmitglieder sind zwar sichtbar älter geworden, haben sich aber allesamt gut gehalten, wobei Severin und Sioux immerhin bereits über 45 Jahre alt waren, als dieses Konzert aufgenommen wurde. Das sollen ihnen viele andere Altstars mal nachmachen.
Als Bonus zum kompletten Konzertmitschnitt gibt es einen Rundgang mit Budgie durch den verwinkelten Backstage-Bereich und ein paar Behind-The-Scenes-Aufnahmen vom Soundcheck und den Konzertvorbereitungen, unter anderem Siouxsie Sioux ungeschminkt! (A.P.)
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