Duran Duran – Arena (An Absurd Notion) (DVD 2004)
Duran Duran – Arena - Recorded Around The World (CD 2004)
(Emi)
DURAN DURAN waren zweifellos eine der stilbildendsten Bands der 80er Jahre. Simon Le Bon (voc), Nick Rhodes (key), Andy Taylor (g), John Taylor (b) und Roger Taylor (dr) – wobei letztere nicht miteinander verwandt sind – kreierten die wohl bedeutsamste Mode- und Musikrichtung der kühlen Dekade. „Some New Romantic looking for the TV Sound“ – die Erwähnung des zuvor nicht gebräuchlichen Begriffs “New Romantic” im Text ihrer zweiten Single „This is Planet Earth“ zeichnete DURAN DURAN als eigentliche Stichwortgeber der heutzutage längst legendären, gleichnamigen Jugendbewegung aus. Diese bestand aus einer bunten, aber gediegenen, dekadenten, aber zutiefst bürgerlichen selbsternannten Elite, der Tanzen, Träumen, Nachtleben und verschnickte Kleidung seinerzeit wichtiger waren als Anti-Nachrüstungsdemos, ideologisierte Endlosdebatten oder Straßenkampf gegen Atomkraftwerke und Umweltverschmutzung.
Bereits vor rund einem Jahr hatte ihre einstige Firma EMI - neben dem nahezu perfekten 13-CD-Set „Duran Duran – The Singles 81-85“ - Album Numero Eins („Duran Duran“, 1981) und Album Numero Drei („Seven and the Ragged Tiger“, 1983) in herausragender Klangqualität, „digital remastered“, neu aufgelegt. Nun ist „Arena – Rcorded Around The World“ dran, das erste und einzige Livealbum der Edelyuppies um den schnieken Royalisten Simon Le Bon und seine kaum weniger ansehnlichen Mitstreiter. Erstmals erschienen zum Weihnachtgeschäft 1984, strafte „Arena“ alle DURAN-Skeptiker Lügen, die der Meinung waren, die Band sei ausschließlich eine schnellvergängliche Teeniesensation, die gar nicht in der Lage wäre, ihre außergewöhnlichen Klangkaskaden auch auf der Bühne gekonnt und mitreißend umzusetzen.
DURAN DURAN wurden in ihrer Urform bereits 1979 begründet, damals eher als avantgardistisches New Wave-Projekt. Nachdem Intellektuellenpopper Stephen „Tin Tin“ Duffy die Truppe schnell wieder verließ und Hübschling Simon an seiner Stelle ans Mikrophon trat, waren genau jene DURAN DURAN geboren, die wir Alt-86er noch heute lieben. Die Aggressivität der Sex Pistols, verbunden mit schwarzen, funkigen Tanzklängen und einer Menge Spielereien aus dem Synthesizer, auf der Basis oft schneller, nicht selten hysterischer, aber stets hypereingängiger Melodien bildeten den unverwechselbaren Sound, mit dem die DURANIES – wie sie von Fans und Jugendzeitschriften unisono genannt wurden – zwischen 1982 und 1986 nicht aus den internationalen Hitlisten wegzudenken waren. Auf der Originalversion von „Arena“ befanden sich neun während ihrer 84er-Welttournee mitgeschnittene Duran-Klassiker sowie die umstrittene, zuvor unveröffentlichte Studioaufnahme „The Wild Boys“. Die Neuauflage wurde um zwei – großartige – Liveaufnahmen der Hits „Girls on Film“ (1981) und „Rio“, dem Titelsong der besten Scheibe ihrer Karriere aus dem Frühjahr 1982, angereichert.
Nachdem sich die deutschen Fans lange geziert hatten, den DURANIES jene Reputation zuzuerkennen, die sie in Großbritannien bereits seit Dekadenbeginn besaßen, sorgte spätestens „The Wild Boys“ für den großen Durchbruch der romantischen Technokraten auch hierzulande. Anfang Dezember 1984 befand sich der zackige Funkrocker plötzlich und vollkommen unerwartet auf Rang Eins der deutschen Top 75. Ausschlaggebend für diesen schnellen Aufstieg war nicht nur die unbestreitbare musikalische Qualität des tanzbaren Rocksongs, sondern auch ein – für damalige Verhältnisse – recht „brutales“ Video, in dem sich Simon und die Seinen rädern ließen, sachte SM-Reminiszenzen vorkamen und alle möglichen Monster, Gnome und Kretins auftauchten, was dazu führte, dass das deutsche Fernsehen den Clip nur in sehr gekürzter Form ausstrahlte. Das mediale Geschrei jedoch veranlasste die Fans, „The Wild Boys“ schleunigst an die Spitze der einheimischen Hitparaden zu kaufen. Die elf Livesongs von „Arena“ stellen dagegen eine gute, ausgewogene Mischung aus den ansprechendsten Liedern der ersten drei DURAN-Alben dar, die nicht originalgetreu vom Studio auf die Bühne verfrachtet, sondern viel eher mit Charme, Schmiss und einer Menge Gefühl und Seele „live“ zelebriert wurden. Die Teenager schrieen sich die Kehle aus dem Hals, als die fünf Mädchenschwärme ihre Tanzorgien aufführten. Doch DURAN DURAN ließen sich davon nicht aus der Ruhe bringen und präsentierten perfekte Shows, die jedoch niemals perfektionistisch oder gar künstlich wirkten.
Brachiale Hits wie „Hungry like the Wolf“ (1982), „Is there something I should know“ (1983) oder eine beinahe punkige, an Billy Idol erinnernde Version von “Careless Memories” (1981) zeigten die rockige Seite der DURANIES. Urbane Coolness in ihrer typischsten Form vernehmen wir hingegen in hymnischen Wave-Rockern wie “New Religion” oder “The Union of the Snake” (beide 1983). Verschroben-avantgardistisch wird’s in den eher balladesken Keyboardepen “The Seventh Stranger” und “The Chauffeur”, während Simon in der verträumten Strandballade “Save a Prayer” den verliebten Romantiker heraushängen lässt. Die rund 60minütige CD-Neuauflage besticht durch eine phantastische Klangqualität, die dieselbe vorheriger CD-Versionen von „Arena“ um ein Vielfaches übertrifft. Die Songs sind allesamt unvergessliche Klassiker der 80er Jahre und beweisen, dass das Jahrzehnt von kühlem Synthie-Pop und hypertrophen Gefühlsausbrüchen auch musikalisch weitaus besser, kreativer und spannender war, als sein Ruf – den zumeist jene Nachgeborenen bewerten wollen, die nicht dabei waren und niemals spüren konnten, welch wohlige Schauer ein DURAN DURAN-Song vor 20 Jahren auf dem Rücken eines jeden verliebten Teenagers auslösen konnte – Glauben machen möchte.
Zeitgleich zur CD „Arena“ erscheint eine gleichnamige DVD. Wer nun allerdings eine 1:1-Umsetzung des Konzertprogramms der CD in Bildern erwartet, wird bitter enttäuscht. Er hat den Untertitel der chic gestalteten DVD übersehen, der da heißt „An Absurd Notion“ (= eine absurde Idee). Unter der Regie von Russel Mulcahy inszenierten Simon und Co. einen oft tatsächlich mehr als nur absurd wirkenden, ca. 50minütigen Streifen, rundherum um das Abschlusskonzert ihrer Tour in Oakland bzw. San Francisco. Aufbauend auf dem erotischen 60er-Sience-Fiction-Klassiker „Barbarella“, dessen böse Hauptfigur Dr. Duran der Band seinen Namen lieh, sieht man eine Menge feuriger Explosionen, hochtechnischer Tricks, jahrmarktkompatibler Feuerräder, Plastik-Monster und alle möglichen bizarren Sequenzen ohne eigentlichen Inhalt. Frauen werden gefesselt und verkettet, die Musiker unvermutet von der Bühne gebeamt und landen urplötzlich in mittelalterlich anmutenden Fantasy-Landschaften – dieses kaum charmante Chaos wird untermalt von (so ist zu befürchten: ganz und gar nicht live mitgeschnittenen) DURAN-Hits. Menschen, die niemals eine SMS erhalten, dafür umso häufiger eine SM, werden an diesem schrillen Budenzauber bestimmt große Freude haben. (Hamburgs Ex-Innensenator Ronald B. Schill plant, Gerüchten zu Folge, sogar, neben Billy Idols „Flesh for Fantasy“ und Depeche Modes „Master & Servant“ auch „Arena (An Absurd Notion)“ bei seiner anvisierten Auswanderung nach Montevideo mitzunehmen...) – Echte, detailverliebte DURAN-Fans hingegen – wenn sie dies auch bleiben wollen – sollten sich auf die hervorragende CD „Arena – Recorded Around The World“ beschränken und der DVD keine weitere Beachtung zumessen. Sie würden nur enttäuscht. Simon gab zu Hochzeiten seines Erfolgs häufig zu Protokoll, die Inhalte für die Texte seiner Welthits würde er direkt seinen Albträumen entnehmen. Wer „Arena (An Absurd Notion)“ sieht, wird den Verdacht nicht los, dem DURAN-Frontmann habe das Singen seiner nächtlichen Obsessionen nicht ausgereicht; daher habe er dieselben seinen Fans zusätzlich in visueller Ausformung nahe bringen müssen!
Gesamtnote – CD: 1
Gesamtnote – DVD 4
(Holger Stürenburg, Musikjournalist2004@gmx.de )
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