Lieblingslied Records/Al!ve – DCD+DVD – 2006 – ISBN 987-3-938181-08-4
Jan und Jim, die eine bisher wenig erfolgreiche kleine Marketingagentur betreiben, erhalten von einer großen Plattenfirma das Angebot , für die zu arbeiten und eines ihrer Konzepte umzusetzen. Allerdings müssten sie dafür vom lebendigen Berlin-Prenzlauer Berg in das kleine Provinzkaff umziehen, aus dem Jan stammt. Ihm wird dabei Angst und bange. Trotzdem fahren die beiden los, um sich das Angebot mal genauer anzuhören. Dabei erinnert sich Jan an die Vergangenheit...
Eine Geschichte ohne Höhepunkte, die aber die Realität ziemlich treffend beschreibt und gerade deshalb gut ist. Denn wessen Leben hat schon viele Höhepunkte aufzuweisen? Nein, meistens verläuft das Leben eben wenig aufregend. George Lindt hat mit „Provinzglück“ einen „Generationen“-Roman geschrieben, der in die gleiche Kerbe schlägt, wie „Herr Lehmann“, „Liegen lernen“, „Dorfpunks“, „Fleisch ist mein Gemüse“ und andere Werke der letzten Jahre. Wahrscheinlich ist es von Vorteil, wenn man der gleichen Generation angehört, wie der Autor, beziehungsweise die Hauptfigur, um das wirklich gut zu finden, ich könnte nachvollziehen, wenn heute 16-20-Jährige mit „Provinzglück“ nicht viel anfangen könnten und auch über 40-Jährige werden Probleme haben, sich in die Geschichte hineinzuversetzen.
Im Prinzip passiert nicht viel in „Provinzglück“, ein etwa 30-Jähriger steht vor der Entscheidung, seine beruflich wenig erfolgreiche Selbständigkeit in Berlin gegen eine einigermaßen sichere Festanstellung in der Provinz einzutauschen und macht dabei eine gedankliche Reise in seine Vergangenheit. Aus dem kreativen Chaos in geregelte Bahnen...erwachsen werden nennt man so was wohl.
Die Stimmung ist leicht melancholisch, doch die Geschichte hat ihre witzigen Momente, ohne, dass man dauernd in brüllendes Gelächter ausbricht, viel mehr lächelt man oft still in sich hinein und sagt sich „das kenne ich auch“. Nur hin und wieder kommt völlig unvermittelt und trocken ein echter Brüller zur Auflockerung und das ist dann auch wirklich lustig. Ansonsten herrscht eine feine Ironie vor, die ich sehr mag. Dass wohl so einiges an autobiographischen Anekdoten Einzug erhalten hat, ist für mich keine Frage.
„Provinzglück“ von George Lindt war als Roman erfolgreich und so ist es wenig überraschend, dass auch ein Hörbuch produziert wurde. Allerdings haben die Macher sich gedacht, dass ein einfaches Hörbuch der Vorlage nicht gerecht würde und so hat man ein Rundum-Sorglos-Paket produziert, das neben zwei CD mit knapp 3 Stunden Spielzeit, auf denen die Geschichte enthalten ist, eine DVD bietet, auf der die Videoclips mit der passenden Musik zum Roman sozusagen den Soundtrack bilden. Dabei sind Größen wie Andreas Dorau, Stereo Total, Die Sterne, Adam Green, Tocotronic, Seeed, The House Of Love und ein paar weitere. Die Stücke treffen die Atmosphäre der Geschichte ganz gut, zudem sieht man diese Videos auch nicht unbedingt tagtäglich auf den gängigen Videoclipabspielsendern. Dazu gibt es auf der DVD noch einige Specials, wie Interviews, eine Livelesung und mehr. Das Booklet liefert schließlich das Fotoalbum und ein paar „Backstage“-Fotos zum Werk. Das Ganze ist in ein schickes, mehrfach aufklappbares, großformatiges DigiPak verpackt.
Rundum also gelungen, was die Aufmachung angeht. Aber natürlich steht und fällt ein Hörbuch mit dem Sprecher. Ein mieser oder einfach nur unpassender Sprecher kann ein Hörbuch zu einem Grauen machen. Doch hier hat man mit Christian Ulmen die absolut richtige Wahl getroffen. Ulmen, der Anfang der 90er Jahre im Offenen Kanal Hamburg begonnen hat und dort (im Gegensatz zu uns) für MTV entdeckt wurde, ist inzwischen ein richtiger Star, der mit guten Fernsehsendungen („Mein neuer Freund“) und als Schauspieler („Herr Lehmann“, „Elementarteilchen“...) erfolgreich und sympathisch daherkommt.
Er ist kein ausgebildeter Sprecher und verschluckt zwischendurch die eine oder andere Silbe, nuschelt ab und zu und atmet hörbar, doch gerade diese Unperfektheit ist hervorragend für die Geschichte geeignet und deswegen eben doch perfekt. Einziger kleiner Minuspunkt, aber dafür kann Ulmen ja nichts: man hat beim Zuhören immer „Herrn Lehmann“ vor Augen.
Fazit: gute Story, gute Umsetzung, gute Aufmachung, was will man mehr? Für heute 28-40-jährige dürfte das eine oder andere „das kenne ich auch“-Gefühl aufkommen, aber auch jeder andere, der aus dem Leben gegriffene Geschichten steht, wird gut unterhalten werden. (A.P.)
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