Seit einiger Zeit, genau genommen seit Teipels Buch „Verschwende Deine Jugend“, ist die frühe deutsche Punk- und New Wave-Szene wieder gesellschaftsfähig geworden und erfreut sich großer Beliebtheit. Dass abgesehen von den kommerziellen Ausuferungen dieses Revivals auch kleinere Labels und Bands wieder ans Tageslicht kommen, ist mehr als erfreulich. Das liebenswerte Label Empty Records aus Fürth hat nun eine alte Dokumentation über die ganz frühe Punk-/Wave-Bewegung ausgegraben, ein wenig restauriert und auf DVD veröffentlicht. Freunden dieser Musik wird dabei das Wasser im Munde zusammen laufen und die eine oder andere Freudenträne über die Wange laufen. „1980 New Wave Hit Explosion – Aufbruch In Die Endzeit“ präsentiert einige der um 1980-1982 herum wichtigsten Underground-Bands, die Deutschland erstmals ein ganz eigenes musikalisches Gesicht gegeben haben. Erfreulicherweise hat man sowohl Bild- als auch Soundtechnisch einiges aus den damaligen Liveaufnahmen heraus geholt. Mit heutigen Maßstäben darf man das alles natürlich nicht vergleichen, aber Fans werden mehr als zufrieden sein.
Los geht´s mit „Ich bin Stumpf“ vom KFC...man kann nicht anders, als mitzuzucken, obwohl der improvisierte Text, der schon damals den Kult um Pabst Johannes Paul II. vorweg nahm, wirklich ziemlich stumpf ist, aber was erwartet man anderes von dieser Band um Sänger Tommi Stumpff? Gitarrist Meikel Clauss, der mit allen seinen Bands (KFC, Nichts, Belfegore) legendär wurde, bringt es im Interview auf den Punkt und lässt den dämlichen Interviewer echt blöd aussehen. KFC bringen dann noch „Für Elise“...großes Kino! Toller Einstieg in die DVD. Dann ZK mit einem blutjungen Campino mit fast ohne Haare, Stumpf-Punk vom Feinsten. Im Interview erzählen ZK schönen Blödsinn. Hamburgs Legende ABWÄRTS überzeugt mit frühen Klängen, die die Verbindung von Punk und Wave wahrscheinlich als erstes geschafft haben. Ihr „Computerstaat“ gehört bis heute zu den besten Songs der damaligen Zeit. Auch hier wird der Interviewer schön verarscht.
FEHLFARBEN bieten ausgerechnet „Ein Jahr (Es Geht Voran)“, ihren größten Erfolg und vielleicht missverstandensten, aber sicher nicht besten Song auf der großen Bühne. Die Nicht-Show von Sänger Peter Hein, größtenteils mit dem Rücken zum Publikum ist aber großartig. Dann FREIWILLIGE SELBSTKONTROLLE, mit denen ich sonst wenig anfangen kann. Hier liefern sie ganz guten Früh-NDW-Sound ab.
Eine Art Videoclip, in der damaligen Zeit noch etwas wirklich außergewöhnliches, kommt von DER MODERNE MAN...sehr schön, eine weithin unterschätzte Band. Sehr schön ironisch und bewusst lächerlich inszeniert. Statt einer Nebelmaschine wird einfach Zigarettenrauch vor die Kameralinse gepustet. Die MALARIA!-Vorgängerband MANIA D überzeugt danach vor allem dadurch, dass sie neben DAF wahrscheinlich eine der Bands waren, die der alternativen deutschen Musik damals ein Gesicht gegeben haben, Vergleichbares gab es weltweit damals kaum. Das haben die Damen dann mit MALARIA! zur Perfektion getrieben und wurden eine der international angesehensten deutschen Bands der frühen 80er Jahre. Im Interview wirken die Mädels dann doch noch ein bisschen verkrampft, auf der Bühne überzeugen sie aber total. Gewohnt absurd erscheinen die unvergleichlichen DER PLAN. Zu Recht werden sie häufig mit den Residents verglichen. Eine der wohl eigenständigsten Bands, die Deutschland jemals hervor gebracht hat, musikalisch wie optisch.
Die damals wohl international erfolgreichste Band waren definitiv DAF, die dann hier auch gleich mit drei Stücken vertreten sind, unter anderem mit ihrem bekanntesten Song „Der Mussolini“. Die Livemitschnitte machen schon deutlich, dass die Faszination, die von DAF ausging einfach mitreißend war. Ein ziemlich verschnupfter Gabi Delgado stellt im Interview dann auch schnell klar, dass DAF den großen kommerziellen Erfolg wollten. Dass sie die Entwicklung der elektronischen Musik nachhaltig geprägt haben, ist wohl unwiderlegbar. Vielleicht neben Kraftwerk eine der wichtigsten deutschen Bands überhaupt. Schon damals bezeichneten DAF ihren Sound als „Körpermusik“, wenige Jahre später wurde daraus die „Electronic Body Music“, der direkte Vorgänger von Techno.
Bei den Bonusstücken geht es mit LIAISONS DANGEREUSES und ihrem legendären „Los Ninos Del Parque“ los. Dieses Stück strahlt einfach eine unheimliche Energie aus, auch wenn der offensichtlich kranke Chrislo Haas, vor einiger Zeit leider viel zu früh verstorben, sichtlich und hörbar Probleme hat, den Song durchzustehen. Mit THE WIRTSCHAFTSWUNDER konnte ich nie viel anfangen, live sind sie hier ganz nett, aber so richtig überzeugen tun sie dann doch nicht. Ist aber wohl auch Geschmackssache. Der Höhepunkt der ganzen DVD sind dann aber ganz am Ende MALARIA! mit ihrem unsterblichen „Kaltes Klares Wasser“, vielleicht dem besten deutschen New Wave-Song überhaupt. Von dem Stück geht ein unheimlicher Zauber aus, auch in dieser Liveversion, die ein wenig chaotisch klingt. Unglaublich, dass ein Mensch so einen Song schreiben kann. Und damit endet diese Dokumentation nach einer Stunde auch schon viel zu schnell. In irgendwelchen privaten Archiven müssen noch unzählige Aufnahmen aus der damaligen Aufbruchszeit schlummern, Es bleibt nur, zu hoffen, dass diese Sachen, mögen sie qualitativ auch noch so übel sein, irgendwann den Weg auf weitere DVDs finden. Bis dahin ist „Aufbruch In Die Endzeit“ aber auf jeden Fall schon mal ein wunderbarer Anfang mit Aufnahmen wegweisender Gruppen, die man nicht schon zigfach woanders gesehen hat. Teil 2 sollte hier schnellstens in Angriff genommen werden!!! Danke Empty Records, danke!
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