Bücher über die Neue Deutsche Welle, jener Zeit zwischen etwa 1979 und 1984, als sich die deutsche Musikszene in der Folge der Punk-Explosion zunächst gegenüber internationaler Pop- und Rocknusik freischwamm und kurz darauf durch die großen Plattenfirmen als 50s-Schlager-Revival zu Tode kommerzialisiert wurde, gibt es viele. Zum einen aus der damaligen Zeit überwiegend kritische, zum anderen seit Anfang des dritten Jahrtausends in Form von Geschichtsunterricht. Manche Bücher sind sachlich, manche kritisch, manche jubelnd. Manche sind oberflächlich, andere sind voller in die Tiefe gehender Informationen, die selbst Sammler noch überraschen. Einige Bücher sind auch einfach kommerziell. Warum aber jemand über eine seit 30 Jahren vergangene kurze Episode der deutschen Musikgeschichte ein derartiges Hass-Werk wie „Sondermüll – The Worst Of NDW“ schreibt, ist mir nicht ganz klar. Warum eigentlich ein teilweise englischer Titel? Zwar sagt der Untertitel aus, dass es sich um „eine satirische Abrechnung“ handelt, doch im Grunde werden lediglich Beleidigungen aneinander gereiht, die einfach nicht lustig sind.
Der Autor Ralf Mattern ist selber Musiker, war zu NDW-Zeiten knapp unter 20 Jahre alt und ist Sänger und Gitarrist von Blues Bands, die sich textlich mit der politischen Situation in der DDR beschäftigten. Im Buch klingt durch, dass er Musiker und Bands wie Wolf Maahn oder Bap verehrt, die „richtige Musik“ mit Gitarren gemacht und dabei gerne „anspruchsvolle“ Betroffenheitstexte abgesondert haben. Rhythm´n´Blues und Deutschrock/Liedermacher sind seine Welt.
Dass ein derartiger Musiker mit dem Sound der NDW nicht viel anfangen kann und Keyboards und Synthesizer eher ablehnt, kann ich nachvollziehen. Aber was hat Mattern zu derartigen Hasstiraden verleitet, die es hier zu lesen gibt? Fast durchweg werden die Interpreten der NDW als aus der Anstalt ausgebrochene Irre beschrieben, die angeblich ihre schrägen Texte ernst meinten. Bandnamen und Aussehen der Musiker und Musikerinnen werden ins lächerliche gezogen und es gibt eine Menge ins persönliche gehende Beleidigungen. Lustig oder gar satirisch kommt das alles nicht rüber.
Formal ist das Buch in 20 Kapitel und ein Vorwort von einem gewissen Udo Wolff (von der Band (?) Das Dritte Ohr) aufgeteilt, wobei sich jedes Kapitel einem Song der damaligen Zeit auf 4-6 Seiten widmet. Ausgewählt wurden nur die großen Hits der damaligen Zeit, die frühe NDW wird komplett außen vor gelassen. Manche Musiker wie Markus, Hubert Kah, Ixi, Andreas Dorau und Trio werden gleich doppelt „gewürdigt“. Andere Stars wie Nena oder Ideal kommen gar nicht vor, von DAF fehlt der große Hit „Der Mussolini“, dafür wird „Der Räuber Und Der Prinz“ verrissen. Und wo sind eigentlich Bap und Geier Sturzflug, die ja im Zuge der NDW auch eine Menge Erfolg hatten? Ach ja, die kamen ja aus der musikalischen Welt des Autors und dürfen deswegen wahrscheinlich nicht kritisiert werden.
Bei seiner Kritik bleibt Herr Mattern extrem an der Oberfläche. Er kritisiert das Auftreten und die Optik der Bands und nimmt die Texte einfach nach ihrem wörtlichen Sinn auseinander, ohne eine zweite, tiefer gehende Ebene überhaupt nur sehen (beziehungsweise: hören) zu wollen. Den bahnbrechend neuen Sound von DAF erkennt er nicht an, obwohl dieser im Grunde erst Techno möglich gemacht hat. Die Ironie von Dorau erkennt Mattern nicht, die musikalischen Fähigkeiten von Spliff erkennt er nicht an und Joachim Witts „Goldener Reiter“ wird tatsächlich in einem Satz mit Gottlieb Wendehals´ „Polonäse Blankenese“ genannt.
Dass die meisten hier behandelten Songs von Interpreten wie Frl. Menke, Peter Schilling, Markus, UKW, Tauchen & Prokopetz, Jawoll, Kiz und Hubert Kah keine Meisterwerke der Musikgeschichte sind, ist klar und nicht wegzudiskutieren, einen derartigen Hass haben sie aber auch nicht verdient. Und wer die Innovation von Trio zur damaligen Zeit mit ihrer total reduzierten Musik nicht erkennt, sollte sich selbst mal als Musiker hinterfragen. Man muss Trio nicht mögen, aber ihr Ansatz war damals bahnbrechend. Und warum wird bei Peter Schillings „Major Tom“ nicht mal angedeutet, dass der Song sich auf „Space Oddity“ von David Bowie bezieht? Entweder wusste es Mattern nicht oder er findet Bowie gut und hat sich nicht getraut, zuzugeben, dass das Schilling-Stück textlich eben doch nicht völlig irre ist.
Nein, „witzig und geistreich“ ist dieses Buch nicht und „satirisch“ schon mal gar nicht. Es wird einfach aus purem persönlichen Frust etwas niedergemacht, an dem man selber nicht teilgehabt hat, was wahrscheinlich der Ursprung ist. Vermutlich wollte Ralf Matterns DDR-Texte zu Blues-Musik damals und auch später keiner hören und er war deprimiert, dass andere Musiker und Interpreten mit dem „NDW-Schwachsinn“ viel mehr Geld verdient haben, als er. Vielleicht hat sein Therapeut ihm auch einfach nur geraten, sich seinen ganzen Frust mal von der Seele zu schreiben. Merkt Ihr was? Ich begebe mich auf das Niveau des Autors.
Warum ein Verlag das auch noch veröffentlicht, leuchtet mir nicht ein, aber wenn man sieht, was die sonst so an Musikbüchern im Programm haben (Bob Dylan, Rolling Stones, Jethro Tull, Woody Guthrie, B.B. King, Konstantin Wecker und so weiter – ich habe jetzt mal genau so subjektiv selektiert, wie der Autor, natürlich hat der Verlag noch viel mehr im Programm), wird das schon klarer. Sollte Ralf Mattern dies hier lesen, wird er vermutlich sagen, ich hätte die Satire einfach nicht verstanden. Ich bin aber zutiefst davon überzeugt, dass dieses Buch in einer Mischung aus Hass und Neid geschrieben wurde. Für NDW-Sammler höchstens als Kuriosität in der Sammlung ertragbar, im Grunde aber nicht mehr als ein Ärgernis. (A.P.)
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