(Kookbooks, ISBN 3937445153)
Eric Dert lebt in Berlin und hat sich ein Klangzimmer eingerichtet. Ungefähr 130 Radios hat er hier aufgestellt, in die Mitte einen Mehrspurrekorder hingestellt und macht hier zusammen mit seinem Freund Ted Aufnahmen. Sie nehmen Sachen aus dem Radio auf, zerschnippeln sie bis zur Unkenntlichkeit, verfremden sie und setzen sie neu zusammen. Daraus entstehen Werke, die man als Toncollagen bezeichnen könnte, in gewisser Weise auch Musik. Fast gleichzeitig lernen die beiden relativ jungen Männer Frauen kennen. Ted kommt sehr schnell mit seiner Laura zusammen und führt sie sogar in die Welt des Klangzimmers ein, wo sie bald selbst Aufnahmen macht. Eric lernt Ruth kennen, allerdings nicht von Angesicht zu Angesicht, sondern erst über das Radio und dann per Telefon. Mehrere verabredete Treffen scheitern, doch Eric hat das Gefühl, dass Ruth immer mehr sein Leben übernimmt…
Dieses Buch von Pierangelo Maset, der in den frühen Achzigern unter anderem mit der Band ExKurs auf sich aufmerksam machte, debütiert hier nun mit seinem ersten Roman. Liest man den Klappentext, glaubt man erst, es mit einer Art Geschichte im Stile von „DECODER“ zu tun zu haben. Es gibt tatsächlich ein paar Parallelen, denn auch hier sammelt ein Mensch Töne und kreiert daraus neue Dinge. Während die Geschichte von „DECODER“ aber in einer Art Endzeitszenario endet, ist „KLANGWESEN“ eher eine bizarre Liebesgeschichte. Einerseits die Dreiecksbeziehung zwischen Eric, Ted und Laura, andererseits aber auch die Beziehung von Eric und Ruth, die ja eigentlich keine Beziehung ist, die Eric aber so in Beschlag nimmt, dass er offenbar an einer Art Paranoia zu leiden beginnt, von der der Leser auch nicht unbedingt weiß, ob sie gerechtfertig ist, oder nicht. Das Buch liest sich anfangs relativ schwierig, beschreibt es doch Erics mitunter wirren Gedanken, doch im Laufe der Zeit wird es flüssiger. Ob das daran liegt, dass Pierangelo Maset erst während des Buches seinen Stil fand, oder ob das eine Charakterentwicklung der Person Erics (der die Geschichte ja als Ich-Erzähler niederschreibt), ist nicht ganz rauszulesen, tippe aber auf letzteres. Auf jeden Fall ist es höchst lobenswert, ein Buch über Klangkünstler zu schreiben, ohne dass man die Chance hat, die Werke mal zu hören, doch der Autor schafft es, sie trotzdem greifbar zu machen durch Beschreibungen, die nicht nur Soundfetischisten verständlich sind. Wünschenswert wäre vielleicht sogar eine CD als Beilage, in der genau diese Werke zu hören sind, denn ich denke, dass der Autor selbst mit solchen Aufnahmen experimentiert hat. Alles in allem ein super zu lesenden Buch, das konstant das Interesse des Leser auf der Höhe hält, sich nicht in unnötigen Längen verliert und ein interessantes, vielschichtiges Thema aufweist, das gar nicht so leicht zu erklären ist. (Haiko Herden)
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