(DuMont Buchverlag)
Dies ist eine Sammlung von insgesamt 24 Kurzgeschichten, die Haruki Murakami, Japans vermutlich bekanntester Autor, zwischen den Jahren 1983 und 2005 schrieb. Die Titelstory "Blinde Weide, schlafende Frau" handelt von einem Mann, der seinem kleinen Cousin eine Geschichte von einer Frau erzählt, die im Krankenhaus das Bild einer "Blinden Weide" malte, deren Blütenstaub Fliegen anzog, die wiederum schlafenden Frauen in die Ohren fliegen, um sie vom Inneren heraus aufzufressen. In "Birthday Girl" folgen wir einer Kellnerin, die an ihrem 20. Geburtstag ihrem bisher unbekannten Chef ein Essen auf sein Zimmer bringt und von ihm ein besonderes Geschenk erhält. "Das New Yorker Minenunglück" behandelt einen Mann, der immer den Zoo zu bestimmten Zeiten besucht und dabei Alkohol trinkt. Als er stirbt, kommen auch einige seiner Freunde ums Leben. "Das Flugzeug oder Wie er mit sich selbst sprach, als würde er ein Gedicht aufsagen" stellt uns einen Mann vor, der ungewollt und für ihn unbemerkt leise von Flugzeugen daherplappert und was er nur dadurch mitbekommt, weil ihn seine Frau darauf aufmerksam macht. In "Der Spiegel" arbeitet ein Mann an einer Universität als Nachtwächter. Eines Nachts scheint er sich selbst gegenüberzustehen. In "Ein modernes Volksmärchen für meine Generation. Aus der Vorgeschichte des Spätkapitalismus" erzählt ein Mann seinem alten Schulkameraden sein Leben, das von einer Beziehung mit einer Mitschülerin geprägt wurde, die keinen Sex vor der Ehe haben wollte. Es kam zur Trennung, bis Jahre später die Frau sich bei ihm meldet, um ein altes Versprechen einzulösen.
Die Kurzgeschichte "Das Jagdmesser" erzählt von einem Mann, der mit seiner Frau im Urlaub ist und am Abend vor der Abreise einen anderen Hotelgast trifft, der ihm von seinem Messer erzählt. In "Känguruwetter" will ein Paar den Zoo besuchen, weil es dort ein frischgeborenes Kängurubaby gibt. Doch sie schaffen es erst Wochen später, und da ist die Enttäuschung groß. In "Zwergtaucher" kommt der Erzähler in ein labyrinthisches Bürogebäude zu einem Bewerbungsgespräch. Doch der Pförtner lässt ihn nicht durch, weil der Erzähler das Passwort nicht weiß. Lautet es womöglich "Zwergtaucher"? "Menschenfressende Katzen" berichtet von einem Mann, der seine Frau verlässt und mit seiner Affäre nach Griechenland verschwindet. Hier lesen sie gemeinsam in der Zeitung von einer alten Frau, die gestorben war und die von ihren Katzen angefressen wurde. Um eine alte Tante, die dem Erzähler lange Zeit buchstäblich im Nacken sitzt, geht es in "Die Geschichte mit der armen Tante". In "Erbrechen 1979" hat ein Mann ständig Affären mit den Ehefrauen und Freundinnen seiner Freunde. Im Jahr 1979 wird er 40 Jahre von Erbrechen geplagt, dem jeweils ein mysteriöser Anruf vorangeht. In "Der siebte Mann" erinnert sich der Erzähler an seine Kindheit von vor 40 Jahren, als ein Taifun seine Heimatstadt heimsucht. Als sich der Küstenort im Auge des Taifuns befindet, geht er mit seinem Freund K. ans Meer, doch dort wird K. von einer Welle erfasst und davongespült. Heute wird dem Erzähler klar, dass er nach der langen Zeit endlich etwas gegen seine Schuldgefühle tun muss. "Im Jahr der Spaghetti" hat der Erzähler im Jahr 1971 fast durchgehend Spaghetti gekocht, um seine Einsamkeit zu überwinden.
"Tony Takatani" ist der Sohn eines Jazz-Musikers, der ein leichtlebiges Liebesleben führt, dann aber eines Tages wider Erwarten heiratet. Seine Frau ist süchtig nach Kleidung und kauft alles, was ihr gefällt. Als sie bei einem Unfall stirbt, überlegt er, was er mit den Kleidungsstücken tun soll. Die kurze Geschichte "Aufstieg und Fall von Knasper" handelt von einer Süßigkeit, die angeblich schon seit dem 8. Jahrhundert hergestellt wird. Als die Firma ihr Rezept aufpeppen möchte und dazu einen Rezeptwettbewerb ausruft, macht der Erzähler mit. Prompt wird er eingeladen und den Knasperkrähen vorgestellt. "Der Eismann" handelt von einer Frau, die in einem Hotel einen Eismann kennenlernt, ein kühler Mann. Sie verstehen sich gut und heiraten irgendwann. Eines Tages wollen sie gemeinsam verreisen: An den Südpol. Kaum dort angekommen, beginnt sich die Frau zu quälen.
Vermutlich merkt man anhand dieser sehr kurzen Inhaltsangaben, dass der Großteil der Geschichten eher surrealer und oft auch absurder Natur ist. Die Storys in der Sammlung teilen Themen wie Liebe, Verlust, Einsamkeit und Identität und sind in Murakamis typisch poetischem und surrealistischem Stil geschrieben. Das Buch macht durchgehend Spaß und ist für alle Leute, die Lust auf tiefgründigen und atmosphärischen Geschichten haben. (Haiko Herden)
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