(Rowohlt Paperback, ISBN 3-499-23618-4)
Rocko Schamoni sollte den meisten Punks in Deutschland, die das 25. Lebensjahr bereits überschritten haben ein Begriff sein, ist er doch seit Jahrzehnten als Musiker, Clubbetreiber, Autor und und und stets aktiv gewesen. Mein erster Schamoni-Berührungspunkt war 1987 bei einem kleinen Festival im Hamburger Stadtpark mit den Real McCoys (später Jeremy Days und Sänger Dirk Darmstädter solo), Die Antwort (Bernd Begemann sollte ein Begriff sein) und die leider vergessenen Grace Kairos. Immer in den Umbaupausen setzte sich ein einzelner Kerl mit Gitarre auf die Bühne und spielte ein paar Songs, die niemand kannte, die aber viel Spaß machten. Ich glaube, das Stück „Hallo Ich Bin Rocko Schamoni“ habe ich vorher schon mal auf einer Punk-Mix-Cassette von meinem Bruder gehört und an der ersten LP der Goldenen Zitronen war er auch beteiligt. Anfang der 90er sah ich die Hamburger Kultfilme „Rolo Aller 1 + 2“, in denen Rocko mitspielte und so kreuzte der Mann immer mal wieder meinen Weg durch die Jahre.
Wie Rocko zu dem wurde, was er schließlich war, beschreibt nun sein autobiographischer Roman „Dorfpunks“, der auf rund 200 Seiten seinen Weg vom Dorfjugendlichen zum Dorfpunk mit Töpferausbildung nachzeichnet. Schamoni wuchs in dem schleswig-holsteinischen Kaff Schmalenstedt auf, irgendwo nahe der Ostseeküste. Was soll man als Teenager, der den Rebellen in sich spürt, in so einem Ort anderes werden als Punker? Überraschenderweise dachten das auch diverse andere Jugendliche, so dass sich tatsächlich eine große Clique bildete, die den Ort und das Umland unsicher machte. Wer jetzt aber unglaubliche Ereignisse zu lesen erwartet, sollte nicht enttäuscht sein, wenn das nicht der Fall ist. Jeder, der in seiner Jugend einer Jugendkultur wie Punk angehörte weiß, dass wirklich außergewöhnliche Ereignisse sich meist auf Konzert- und Partyerlebnisse beschränken. So hat auch Rocko, der sich damals noch „Roddy Dangerblood“ nannte vor allem alkoholische Abenteuer in der örtlichen Discothek erlebt und auch diverse Drogen ausprobiert und dann wieder die Finger davon gelassen. Frauen waren lange Zeit eher unwichtig, denn immerhin gab es Punk, wer braucht da schon Liebe? Sex allerdings war unabhängig davon schon interessant. In einem abseits gelegenen Dorf wie Schmalenstedt haben sich die Pubertierenden offenbar wirklich unabhängig entwickelt und waren nicht durch die Trends, die in Hamburg, Berlin oder Kiel angesagt waren, geprägt. So ging der Musikgeschmack weit über reinen Punk hinaus...nun gut, ABC und Kajagoogoo hätten es auch nicht gerade sein müssen...
Kurz: in diesem Buch, das weniger eine durchgehende Geschichte erzählt, als unabhängige Episoden aus dem alltäglichen Leben, werden sich viele Leute wieder finden, die Mitte der 60er bis Anfang der 70er Jahre geboren wurden. Auch, wenn ich in Hamburg und nicht auf einem Dorf aufgewachsen bin, kann ich viele Dinge in “Dorfpunks“ nachempfinden, weil ich mich an die Atmosphäre der frühen 80er Jahre noch gut erinnern kann. Viele Dinge hat man so oder ähnlich selbst erlebt.
Schamoni hat ein großes Talent, in einfachen Worten unterhaltsam zu schreiben. Ich habe das Buch so ziemlich in einem Rutsch durchgelesen. Für ihn endete Anfang 1986 mit dem Abschluss seiner Ausbildung zum Töpfer und dem Sterben der Schmalenstedter „Szene“ ein Lebensabschnitt und so endet auch das Buch an dieser Stelle. Aus „Roddy Dangerblood“ wurde Rocko Schamoni, der in Hamburg eine Musikkarriere begann. Die Geschichte würde ich auch gerne irgendwann noch lesen, denn zweifellos gibt es da jede Menge amüsante Anekdoten zu berichten. Vielleicht hat Herr Schamoni ja mal Lust, darüber zu schreiben.
Bis dahin muss man mit diesem kurzweiligen Werk vorlieb nehmen und kann sich zusätzlich seinen ersten Roman „Risiko des Ruhms“ zu Gemüte führen. Rocko Schamoni ist tatsächlich ein Mann mit vielen Talenten...und immer er selbst geblieben. Auf jeden Fall ist er auch heute noch mehr Punk als all die dauerbesoffenen Irokesen-Wracks, die nichts anderes zu tun haben, als in der Fußgängerzone ihr offenen Beine zu bewundern und nach Kohle für den nächsten Druck zu schnorren. (A.P.)
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