(dtv ISBN 9783423026291)
Der Handlungsreisende Gregor Samsa wacht eines Tages in seinem Zimmer auf und ist ein großer Käfer. So unglaublich das klingt, so wenig ernst nimmt Gregor das. Am Anfang glaubt er noch, dass er vielleicht träume, doch nach und nach muss er erkennen, dass dem nicht so ist. Er schämt sich für sein Aussehen, weil er so hässlich ist und lässt niemanden in sein Zimmer kommen, weder seine kleine Schwester, noch seine Eltern, bei denen er immer noch wohnt. Schon steht der Prokurist der Firma in der Wohnung und verlangt von Gregor zu erfahren, warum er denn der Arbeit fern bliebe. Hinter der verschlossenen Tür versucht Gregor zu erklären, dass er sich nicht wohl fühle. Als der Prokurist weg ist, erfährt seine Familie, was mit ihm geschehen ist. Nur seine Schwester traut sich in sein Zimmer rein, doch sie sieht ihn nicht an und spricht auch nicht mit ihm. Die Eltern lassen ihn in seinem Zimmer wohnen…
Mehr sage ich nicht zu dieser todtraurigen Geschichte. Ich liebe Regisseure wie David Lynch oder David Cronenberg, deren Werke immer als kafkaesk bezeichnet werden und so musste ich endlich mal klären, was genau dieser Begriff denn bedeutet. Gregor Samsa ist ein Mann, der sein Leben hasst. Der Beruf ist ihm ein Greuel, einzig und allein wegen des Geldes macht er es, um die Wohnung für seine Eltern und seine Schwester zu zahlen, da der Vater eine geschäftliche Pleite erleben musste. Immer noch lebt er bei Vater und Mutter, hat sich selbst aufgegeben und seine Träume begraben. Dieser Unmut schafft sich nun Gestalt in Form eines hässlichen Käfers, was physikalisch und biologisch hier überhaupt nicht erklärt wird, was aber auch überhaupt nichts zur Sache tut. Gregor Samsa, ein Opfer seiner selbst, hässlich für sich selbst und die, die ihn lieben, aber die ihn auch ausgebeutet haben. Und nun, da er ihre Hilfe braucht, zieht sie sich zurück. Sein innerer Protest, seine Frustration, die sich nach Aussen gekehrt hat, bleibt aber ungehört, niemand will mehr etwas mit ihm zu tun haben, einzig die Schwester, doch die sieht Ihr Vorwagen in Gregors Zimmer offenbar eher als Emanzipation von ihren Eltern. So verpufft das Aufmucken Gregors im Nichts.
Geschrieben ist das Buch mit sehr klaren Worten und merkwürdig distanziert. Gregor Samsas Gedanken müssten sich überschlagen vor Emotionen, doch er sieht sich selbst aus der Ferne und verbietet sich ausschweifende Gefühle – genauso, wie er es sein ganzes Leben getan hat. Und in den Augenblicken, wo er sich seinen Gefühlen hingibt, man denke an die Szene, in der er einmal sein Zimmer verlässt, weil er sich freut, wird er von der eigenen Familie in seine Schranken verwiesen, die Angst vor ihm bekommt. Gefühle zeigen ist ungesund, das war ihm schon immer klar.
Ich kann hier jetzt keine Abhandlung schreiben, das würde den Rahmen dieser kleinen Kritik sprengn, vielmehr würde ich ein wenig Sekundärliteratur empfehlen, die sich mit dem Leben Kafkas, dem Verhältnis zu seiner Familie (insbesondere zu seinem Vater), seinem Leben und dem Existenzialismus im Allgemeinen beschäftigt. Kafkas Buch, dass im Jahre 1916 veröffentlicht wurde, hat die Literaturwelt entsetzt, seine grotesken Ideen haben provoziert. Er hat es geschafft, der Schuld des Menschen, seinem Gefangensein im Körper und in seinem Dasein, eine Gestalt zu geben. Und dadurch konnte er vielerlei Denken in aller Welt verändern. (Haiko Herden)
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