Goldmann ISBN 978-3-442-47031-0
Nachdem Frank Lehmann bei der Bundeswehr ausgemustert wurde, reist er Anfang der 80er Jahre mit seinem Kumpel Wolli nach Berlin, um seinen Bruder Manfred zu besuchen. Dort angekommen ist Manfred, Freddie, wie ihn alle hier nennen, nicht auffindbar und scheinbar weiß keiner, wo er hin ist. Frank kommt zunächst in Freddies Zimmer unter und lernt in der WG Karl, Erwin und Chrissie kennen. Sofort ist er irgendwie mitten im Geschehen und erlebt 3 Tage im Berliner Künstler-Underground, die sein Leben irgendwie verändern, auch, wenn er das gar nicht will…
„Herr Lehmann“ ist ein moderner Klassiker deutscher Literatur, die Fortsetzung (beziehungsweise Vorgeschichte) „Neue Vahr Süd“ war durchaus unterhaltsam, aber teilweise etwas langatmig. Mit „Der Kleine Bruder“ hat Musiker und Autor Sven Regener den abschließenden, mittleren Teil der Trilogie um Frank Lehmann vorgelegt. Um es vorweg zu nehmen, „Der Kleine Bruder“ ist wieder deutlich kürzer als „Neue Vahr Süd“ und kehrt zurück zu den Stärken von „Herr Lehmann“, ohne dieses Meisterwerk jedoch ganz zu erreichen. Die Handlung spielt direkt im Anschluss an „Neue Vahr Süd“ und umfasst lediglich drei Tage, die es aber für unseren Helden in sich haben. In den ersten Tagen in Berlin passiert eigentlich nicht viel, außer, das Lehmann eben seinen späteren besten Freund Karl Schmidt und seinen zukünftigen Chef und Vermieter Erwin kennenlernt. Außerdem sucht Lehmann eben seinen scheinbar verschollenen Bruder und trifft dabei auf einige mehr oder weniger durchgeknallte Leute, die in der „Berlin-Mauerstadt“-Atmosphäre ein oftmals schräges Leben führen, sei es als Künstler, Dichter oder Keipenwirt. Bei Karl Schmidt hat man sofort wieder Detlev Buck in dieser Rolle aus der „Herr Lehmann“-Verfilmung vor Augen und man muss diesen schrägen Typen, der liebenswert naiv durch die Berliner Szene torkelt einfach lieb haben.
Die Handlung ist eigentlich gar nicht richtig erwähnenswert, aber so unterhaltsam und leicht zu lesen geschrieben, dass man die rund 300 Seiten der Taschenbuchausgabe schnell weg liest und sich dabei bestens unterhalten fühlt. Lehmann ist einfach inzwischen so etwas wie ein guter alter Bekannter geworden, der mit einem recht realistischen und sympathischen Blick auf die Welt durchs Leben stolpert. Im Grunde wünscht man sich, dass man selber so gewesen wäre, als man in dem Alter (um die 20) gewesen ist.
Auch wenn die Geschichte fiktiv ist, wird so manches Detail und die eine oder andere Episode auch autobiographische Momente aus dem Leben von Sven Regener enthalten.
Der Roman kommt wieder einmal herrlich unaufgeregt daher, weiß durchgehend zu unterhalten und enthält auch den einen oder anderen dramatischen Moment.
Auch, wenn die Romane über das Leben von Frank Lehmann nun abgeschlossen sein sollen, wage ich doch zu hoffen, dass man irgendwann mal wieder etwas über den sympathischen Wahlberliner lesen wird. Am liebsten eine Fortsetzung des ursprünglichen Bandes „Herr Lehmann“, man möchte doch zu gerne wissen, was aus Karl Schmidt geworden ist, nachdem er seinen Zusammenbruch hatte. Bis dahin muss man sich eben die drei erhältlichen Bände ab und zu mal wieder rauskramen und daran erfreuen. „Deer Kleine Bruder“ ist jedenfalls wieder eine absolute Empfehlung. (A.P.)
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