(Deutscher Taschebuch Verlag, ISBN 3-423-02644-8)
Der erste Satz in Kafka-Büchern ist meist schon recht wegweisend. Dieses Mal startet es mit folgendem: „Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Zuerst glaubt er daran, dass seine Arbeitskollegen ihm einen Streich gespielt hätten, doch nach und nach muss er erkennen, dass die Lage ernster ist, als er zunächst vermutete. Er ist sich keiner Schuld bewusst, doch er bemerkt, dass das Gericht ihn nicht in Ruhe lassen wird und die Sache geklärt werden muss, doch das ist nicht einfach. Ein Rechtsanwalt soll ihm dabei helfen, doch der arbeitet nicht so, wie Josef K. es sich vorstellt und so beschließt er, seine Verteidigung selbst in die Hand zu nehmen. Der Prozess verändert immer mehr sein Leben, sein hoher Posten in seiner Bank gerät in Gefahr und er beschließt, seine Verteidigung selbst in die Hand zu nehmen. Er holt sich Hilfe von einigen obskuren Personen, doch niemals kommt er wirklich einen Schritt weiter, seine Unschuld kann er nicht beweisen, obwohl er sich immer noch keiner Schuld bewusst ist...
Das Buch ist zwar erst im Jahre 1925 erschienen, doch der Text selbst stammt aus der Zeit 1914 bis 1915. „DER PROZESS“ ist einer der wichtigsten und bekanntesten Bücher von Kafka und man wird, wie gewohnt, nicht richtig schlau aus allem. Es wird niemals erwähnt, weswegen Josef K. eigentlich angeklagt wurde und im Grunde ist das ja auch nicht wichtig. Wichtig ist viel mehr, wie Josef K. die ganze Sache irgendwann als gegeben hinnimmt.
Der Stil des Buches ist von Sachlichkeit geprägt, im Grunde fast emotionslos wird einem als Leser die Sache präsentiert und die wahren Gefühle des Protagonisten bleiben dem Leser verborgen, wobei sie dem Protagonisten wahrscheinlich auch selbst verborgen bleiben, denn im Grunde wird die ganze Geschichte aus seiner Sicht erzählt und ist von unzähligen inneren Monologen gekennzeichnet, doch trotzdem bleibt der Abstand zwischen Josef K. und dem Leser. So kann man sich wirklich schwerlich mit ihm identifizieren und das Buch liest man immer aus einer gewissen Distanz heraus, eine Distanz aber, die wohl gewollt ist und die auch zum Reiz des Buches beiträgt. Das Buch ist 1925 von einem Freund Kafkas aus Versatzstücken und einer eigenen, für sich allein stehenden Geschichte „zusammengeschustert“ worden, doch das ist nur ein weiterer Reiz des Buches, fast schon ein ungewolltes Stilmittel. Ich möchte hier jetzt gar nicht irgendwelche Deutungen dem geneigten Leser präsentieren, es wäre wahrscheinlich eh falsch oder unvollständig oder, was wahrscheinlicher ist, nur eine von vielen. Jeder sollte sich selbst seine Gedanken machen und „DER PROZESS“ schafft es, dass man das auch tut. Es ist unmöglich, das Buch einfach nur zu lesen und dann wegzulegen. So viele Details bieten so viele Möglichkeiten einer Interpretation. Ein anonymes Gericht, das nach einem unbekannten Gesetz richtet, die ungewöhnlichen Umstände seiner Verhaftung, ein Gericht, das auf stickigen Dachböden seine Büros hat, Rechtsanwälte, die sinnlose Arbeit tun und Bemühungen, die immer ins Leere zielen, denn die Richter lassen sich prinzipiell nicht beeinflussen, auch wenn manch einer dies behaupten mag. Ich hätte keine Mühen, noch seitenweise über das Buch zu schreiben und auf Details einzugehen und so möchte ich abschließend nur eines sagen: „DER PROZESS“ ist einer der zehn Romane, die man in seinem Leben gelesen haben sollte, egal, welcher Stilrichtung man sonst beim Lesen frönt. (Haiko Herden)
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