Rockbuch ISBN 978-3-941376-01-4
Im Jahr 2005 reist der 29 jährige Japanistik-Student David Schumann nach Japan, um dort zwei Jahre lang sein Studium zu vertiefen. Als Punk, Musiker und einfach leicht chaotisch-lebensfreudiger Deutscher gerät er in die völlig fremde Welt Japan und dort ausgerechnet in das selbst für japanische Verhältnisse schwer zu verstehende Großstadtmonster Tokyo.
Die erste Zeit ist schwer, mit der Sprache klappt es noch nicht ganz so gut wie erhofft, auf der Universität bleiben die ausländischen Studenten unter sich, das Geld ist immer knapp und die Gastfamilie, vor allem der Hausherr dort, ist mehr als seltsam.
Doch langsam fasst Schumann Fuß, lernt Leute kennen, macht in mehreren Bands Musik und ist immer auf der Jagd nach dem nächsten Abenteuer, seien es Alkoholeskapaden oder ausgesprochen hübsche Japanerinnen. Doch alles ändert sich erst, als er auf der Straße von einem Model-Scout angesprochen wird. Das nimmt er zunächst nicht ernst, doch tatsächlich kommen erste Aufträge für Foto-Shootings und damit gutes Geld. Plötzlich findet der junge Deutsche sich in der gar nicht mal so glamourösen Welt der Mode wieder, für die er bisher so gar nichts übrig hatte. Durch sein eigenwilliges Äußeres und seine Andersartigkeit aus japanischer Sicht wird er zu einer Art Starmodel. Wenn’s jetzt auch noch mit den Frauen klappen würde und der Alkohol doch bloß nicht so gut schmecken würde…
„The Tokyo Diaries“ ist ein tatsächlich in Tagebuchform geschriebener wahrer Roman eines Deutschen Studenten in Japan. Inwiefern Dinge und Ereignisse hinzugefügt oder weggelassen wurden, weiß ich nicht, grundsätzlich sind die Ereignisse aber wirklich geschehen und Schumann lässt in einer flüssig zu lesenden, alltäglichen Sprache ein uns Europäern völlig fremdes Land Realität werden, vor dem er in den ganzen zwei Jahren seines Studiums dort mit den staunenden Augen eines kleinen Kindes in einem Disney-Park steht.
Als offener und kommunikativer Typ findet er schnell Anschluss und lernt dadurch zumindest teilweise auch das wahre Tokyo der jungen Generation zwischen Tradition und Rebellion kennen.
Wunderbar kommt rüber, wie anders dieses Land doch ist und man erfährt so einiges, was man sich hier kaum vorstellen kann. Wäre nicht die beinahe unglaubliche Geschichte mit dem Model-Job dazwischen gekommen, hätte der zweijährige Aufenthalt wohl überwiegend aus jeder Menge Alkoholexzessen, Frauengeschichten, Punk Rock und nebenbei ein bisschen Universität bestanden. Der Einblick in die Modewelt verleiht in all seiner Absurdität dem Buch aber eine ganz eigene Dynamik, wozu der teilweise schön sarkastische Schreibstil natürlich beiträgt. Diverse Lacher sind dabei garantiert.
Obwohl Schumann oft verständnislos den Sitten der Japaner gegenübersteht und diese sogar oft ablehnt, ist er seinem Gastland gegenüber sehr respektvoll und beschreibt die andere Kultur nicht abwertend, nur, weil sie nicht unserer entspricht.
Viele Ereignisse werden sehr ausführlich beschrieben, manchmal gibt es größere Lücken über mehrere Tage oder gar Wochen, wie es bei einem Tagebuch halt so ist, insgesamt erfährt man aber wohl so ziemlich alles Erwähnenswerte über die zwei Jahre. Lediglich die letzten drei Monate werden relativ kurz auf wenigen Seiten abgehandelt und zum Ende hin arten die Sex- und Alkoholgeschehnisse etwas aus.
Das alles zusammen ergibt ein mehr als lesenswertes Buch, das man leicht in einem Rutsch durchliest. Sicher keine hochgeistige deutsche Literatur, aber doch ein sehr unterhaltsamer Reise-Roman, der wahrscheinlich ehrlicher ist, als die meisten Bücher dieses Genres.
Mir hat dieses Buch jedenfalls eine Menge Spaß gemacht und ich kann es bedenkenlos weiterempfehlen, wenn man mal einen Punk-, aber auch Gesellschaftsroman der ganz anderen Art lesen möchte. (A.P.)
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