Christian Keßler hat sich seit über 20 Jahren als „Filmgelehrter“ einen guten Namen gemacht. Mit sprachlichem Witz und unglaublich großem Fachwissen hat er Jahrzehntelang Artikel für Splatting Image geschrieben und seine Bücher über den Italienischen Horrorfilm der 50er/60er Jahre, den Italo Western und amerikanische Pornofilme der 70er sind alle mehr als lesenswert für Liebhaber von Filmkunst jenseits des Mainstremas. Sogar als Krimiautor hat er sich inzwischen versucht (was ich allerdings noch nicht beurteilen kann) und wird von Labels gerne gebucht, um Audiokommentare oder Booklettexte für DVD/Blu Ray-Veröffentlichungen mehr oder weniger bekannter Filme beizusteuern.
Richtig weite Kreise zog nun sein Buch „Wurmparade auf dem Zombiehof – Vierzig Gründe, den Trashfilm zu lieben“, das auch in „Qualitätsmedien“ wie Spiegel, Taz oder ZDF-Aspekte wohlwollend aufgenommen wurde, dazu gab es zahlreiche Lesungen des Autors in ganz Deutschland. Im bescheidenen Sinne kann man also durchaus von einem Erfolg sprechen, was für das Thema „Trashfilm“ doch überraschend ist.
Dass das Buch erfolgreich ist – und eine Fortsetzung haben wird – liegt einfach an dem Autor selbst, denn zum einen hat er einen ausgesprochen unterhaltsamen Schreibstil, der hier und da auch völlig neue Wortschöpfungen liefert, zum anderen merkt man Keßler in jedem Satz seine große Liebe zum Film und dessen Machern an, solange sie nur mit Herzblut dabei sind – da sind unfreiwillig komische oder billige Werke nicht schlimm, sondern ringen dem Autor Bewunderung ab. Womit wir beim „Trashfilm“ angekommen sind.
Zunächst einmal stellt Keßler klar, dass „Trashfilme“ niemals gewollt trashig sind, wie so viele – durchaus unterhaltsame – heutige Werke aus Filmschmieden wie The Asylum. Nein, ein „Trashfilm“ ist fast immer zunächst einmal von den Machern ernst gemeint und entwickelt sich erst durch unfreiwillige Komik und Mundpropaganda dazu. Fehlende finanzielle Möglichkeiten und/oder beschränkte künstlerische Fähigkeiten stehen unendlicher Liebe zum Filmemachen und kompromisslosen Willen zur Umsetzung der eigenen Ideen gegenüber.
Nach einer kurzen Einführung ins Thema stellt Christian Keßler vierzig Filme vor, die aus seiner Sicht diese Kriterien erfüllen, bekanntere (relativ gesehen natürlich – denn keiner der Filme wurde ein großer kommerzieller Erfolg oder ist filmhistorisch „wichtig“) und obskure, schräge und tragische, vollkommen außerhalb des Vorstellbaren stehende und leicht konsumierbare.
Genregrenzen gibt es nicht, vom Drama über Horror, Western, Science Fiction und Sexfilm bis zu Endzeit-, Kriegs-, Monster- und Heimatfilm reicht die Palette. Kaum ein Leser wird alle dieser Werke kennen, aber beim Lesen hier und da doch gereizt, sich das eine oder andere zu besorgen. Bei einem Film – ich verrate nicht welcher – habe ich mir die entsprechende DVD umgehend besorgt und wurde nicht enttäuscht. Der Film hält alles, was der Artikel versprochen hat. Und das in einem Genre, das mir sonst gar nicht zusagt.
Sortiert sind die Filme nach Oberbegriffen wie „Monsterfilme“, „Männerfilme“, „Penisfilme“, „Beklopptenfilme“, „Mutantenfilme“, „Kirchenfilme“ und einigen mehr, wobei die Rezensionen nicht immer das liefern, was die Überschriften versprechen. Keßler nimmt so manchen vorgestellten Film als missverstandenes Kunstwerk wahr, was – und das ein klitzekleiner Kritikpunkt – deutlich macht, dass ein paar Werke im Grunde gar nicht in die „Trash“-Schublade passen. Interessant sind sie natürlich trotzdem.
Ein weiterer kleiner Kritikpunkt ist, dass nicht zumindest die wichtigsten Daten zu den einzelnen Filmen wie Entstehungsjahr, Regisseur, Darsteller und so weiter am Anfang oder Ende des jeweiligen Kapitels kompakt zusammengefasst wurden, vielleicht sogar mit Hinweisen, in welcher Form die Filme derzeit erhältlich sind. Dass im Inhaltsverzeichnis die tatsächlichen Filmtitel nicht aufgeführt sind, sondern lediglich verklausulierte Inhaltsangaben, ist hingegen okay, denn so kann man sich beim Lesen immer wieder überraschen lassen. „Wurmparade Auf Dem Zombiehof“ ist nicht als Nachschlagewerk konzipiert. Weder Vollständigkeit – wie auch? – noch Relevanz sind hier Kriterien, sondern nur – und ich wiederhole mich hier gerne – Keßlers Liebe zum abseitigen Film. Und das ist auch gut so.
Zu den meisten Filmen gibt es farbige Abbildungen teils wirklich schräger Filmplakate. Und der fast schon naiven Unbeschwertheit der Filme und dem Thema entsprechend, hat der Verlag es hinbekommen, auf der Titelseite und dem Buchrücken den Namen des Autors „Kessler“ zu schreiben, an anderen Stellen aber korrekt als „Keßler“. Das ist irgendwie sympathisch unperfekt. Ich giere förmlich nach der Fortsetzung „Der Schmelzmann In Der Leichenmühle“, denn es gibt noch viel Bizarres zu entdecken. (A.P.)
Martin Schmitz Verlag - ISBN 978-3-927795-67-9
|